QH 30

Zuordnung: HqA-jb

(Hekaib, Sohn des Sat-Hor)

Titulatur: Vorsteher der Gottespriester
Zeit:
Epoche: Mittleres Reich
Mumie:
Ausgrabung / Dokumentation:
Grababmessungen: ca. 80 m²
weiterführende Literatur:
Quellen:

LÄ 5, Sp.55ff.

Müller

Auf Grund der Lage des Grabes auf der oberen Terrasse in einem Knick ist die Anlage eines Vorhofes nicht möglich gewesen. Der schmale offene Gang, der in diesem Grabe an die Stelle der weiten Vorhöfe getreten ist, ist lediglich Zugang zu dem Innenraum. Die Ziegelwände, die vermutlich gegen die Eingangswand schräg anstiegen und über die Fläche des Hanges hinaus aufgeführt waren, haben die Aufgabe, den Gang und den Kultraum vor Versandung zu schützen.

DIE FELSENHALLE
Die Felsenhalle, die man durch die 2,50 m hohe und 1,10 m breite Türöffnung betritt, erstreckt sich 9,50 in die Tiefe bei einer Breite von 8,25 m. Die Türöffnung ist links von einem flachen Pilaster eingefaßt. Der Raum ist durch zwei Reihen von je drei Pfeilern in seiner Länge in drei Schiffe gegliedert. Das breite Mittelschiff, das auf die Kultnische hinführt, ist mit einer flachen Tonne überwölbt; die Scheitelhöhe der Tonne liegt 3,25 m über dem sandigen Fußboden. Die schmaleren und weniger hohen Seitenschiffe haben flache Decken, die sich nach den Seitenwänden hin ein wenig senken; die mittlere Höhe beträgt 2,25 m. Die flache Wölbung der Tonne geht ohne eine Absetzung in die Architrave über. Der Querschnitt der aus dem anstehenden Felsgestein herausgearbeiteten Pfeiler ist annähernd quadratisch; die Pfeilerstärke beträgt 80-85 cm. Bei einer Höhe von etwa 2,00 m. Zwischen Pfeiler und Archivar ist eine Deckplatte von etwa 25 cm Stärke mit einem Überstand von 1 cm angedeutet. Die Kultnische ist dem Eingang gegenüber in die Felsenrückwand der Pfeilerhalle eingelassen. Ihre Bodenfläche liegt etwa 30 cm über dem sandigen Fußboden der Halle. Die Seitenwände der Nische sind geglättet und tragen auf einer Stuckschicht Malereien. Die Nischenrückwand ist nicht senkrecht ausgearbeitet, sondern ungefähr von der Mitte nach unten allmählich stärker eingetieft. Die nur roh zugehauene Fläche ist mit einer Sandsteinplatte verkleidet, auf deren Vorderseite Malereien angebracht sind. Man hat sich vorzustellen, daß die Platte, die 1,50 m x 1,06 m mißt, und etwa 10 cm stark ist, auf zwei Brettern stehend, nach vorn geneigt in die Nische eingebracht worden ist. Sobald die Platte mit der unteren Hälfte ihrer Rückseite an die schräge Felsenrückwand anstieß, wurde sie durch Andrücken der oberen Kante und durch gleichzeitiges Anziehen der Bretter aufgerichtet; sie lehnte nun mit ihrer oberen Hälfte gegen den lotrecht abgearbeiteten oberen Teil der Felsenrückwand. Nachdem die Bretter entfernt waren, wurden die Fugen ringsum ausgefüllt und verputzt. Ein Stuckrand gibt auf den Seitenwänden der Nische den Anschluß der Vorderfläche der Platte an. Pfosten und Sturzplatte, die einst die Nischenöffnung einfaßten, waren in Werksteinstücken in Falze eingelassen. Die Standspuren der Pfosten zeigen, daß ihre Seitenflächen mit den Seitenwänden der Nische bündig lagen. Die Sturzplatte, die über den Pfosten in die Felsenwand eingelassen war, ragte mit ihren Enden gleichmäßig einige cm über die äußeren Kanten der Pfosten hinaus. Die Pfosten und die Sturzplatte trugen also Rundstab und bekrönende Hohlkehle. Auf dem Nischenrahmen sind Inschriftbänder anzunehmen.

Die Nische, die einst eine Statue des Heka-ib barg, war nicht verschließbar; denn es finden sich keine Einarbeitungen für die Drehzapfen der Türflügel, und es fehlt der Türanschlag. Die Maße der Nische sind 1,50 m Höhe, 1,07 m Breite und 0,96 m Tiefe.

Am Gebälk der nördlichen Pfeilerstellung waren Ausbesserungen durch Werksteinstücke notwendig. Auch im nördlichen Seitenschiff mußten Flickungen vorgenommen werden: in der Nordwand befindet sich in 1,85 m Höhe über dem Sandboden eine große Öffnung, die in einen älteren, jetzt unzugänglichen Grabraum führt. Dieser Grabraum erstreckt sich wesentlich mehr in die Breite als in die Tiefe; eine Pfeilerstellung, die quer zur Eingangsrichtung verläuft, stützt die Decke.

In der Mitte der Westwand führt ein schmaler niedriger Gang schräg nach unten zur Sargkammer. Die Pfeilerhalle des Heka-ib, hat die Südwestecke und den zur Sargkammer führenden Gang des älteren Nachbargrabes angeschnitten. Die dadurch entstandenen Öffnungen waren einst mit Sandsteinquadern zugemauert, von denen einzelne Bruchstücke im nördlichen Seitenschiff am Boden liegen.

Die Lage der Schächte und der Sargkammer des Grabes Nr. 30 läßt sich ohne Freilegung nicht ausmachen. Es wäre möglich, daß Heka-ib den schrägen Gang und die Sargkammer der angeschnittenen Anlage benutzt hat. Der Zugang würde dann in der Westwand liegen, nördlich von der Nische; er ist jetzt verschüttet. Kleinere Kammern, in denen Angehörige des Heka-ib beigesetzt gewesen sein könnten, sind in die Westwand (südlich der Nische) und in die Südwand eingearbeitet. Auch diese Öffnungen sind jetzt mit Sand angefüllt.

Die Pfeilerhalle des Grabes Nr. 30 entspricht der Empfangshalle der älteren Gräber. Ihre jetzige Bodenfläche, die aus Sand besteht, liegt mit dem Fußboden des offenen Ganges, der von dem abgearbeiteten Felsen gebildet wird, in einer Ebene. Der Raum wirkt -verglichen mit den anderen Gräbern aus dem Mittleren Reiche - im Verhältnis zu seiner Breite und Tiefe sehr niedrig. Nach dem Grundriß ist diese Grabanlage ungefähr gleichzeitig mit der des Chuf-her (QH 34, VI. Dynastie) anzusetzen: Der Raumeindruck ist durch den unfertigen Zustand nur wenig beeinträchtigt. Eine etwa 30 cm tiefe Sandschicht bedeckt den vom Felsen gebildeten Fußboden, der anscheinend unfertig liegen blieb und nicht in gleichmäßiger Tiefe aus dem anstehenden Felsen herausgearbeitet worden ist.

Die im Verhältnis zu ihrer Dicke zu kurz erscheinenden Pfeiler sind von der Unterkante des Architravs 1,90 m abwärts, sorgfältig glatt geschliffen; die unteren Abschnitte der Pfeiler, die zum größten Teil vom Sande verdeckt sind, sind nur roh zugehauen. Auch die Wandflächen sind - mit Ausnahme der nördlichen Hälfte der Eingangswand - nicht eben und nur ungleichmäßig und roh ausgearbeitet. In der Nordostecke ist ein flacher Halbpfeiler stehengeblieben, der in 1,25 m Höhe waagerecht abbricht. Der heutige Zustand des Raumes ist im Wesentlichen als beabsichtigt anzusehen und aus der entwicklungsgeschichtlichen Stellung dieses Grabes zu verstehen.

Bei der Anlage des Grabes Nr. 30 verzichtete man auf den schmalen Gang und auf die Kultkammer. Der Gedanke eines gleichsam unendlichen Abstands der Empfangshalle von dem Allerheiligsten (wie in QH 31) und der Gedanke des "Weges" sind aufgegeben. Empfangshalle und Kultraum sind eins geworden; die Kultstelle, die Nische mit der Statue, wurde in die Rückwand der Empfangshalle verlegt. Das Mittelschiff, in dessen Rückwand sich die Nische öffnet, ist - vermutlich in Anlehnung an den aufgegebenen überwölbten Gang (Nr. 36 und Nr. 31) - mit einer Tonne überdeckt worden. Die 'Wölbung begrenzt das Blickfeld und führt strahlenförmig den Blick auf die Nische hin, die das Herz der Anlage ist. Die Höhe des Raumes wird weniger durch die Pfeilerhöhe als durch die Scheitelhöhe der Wölbung bestimmt. Die Tonne gab die Möglichkeit, das Mittelschiff weit mehr über die Decken der Seitenschiffe zu überhöhen als die flachen Decken der Empfangshallen von QH 32 und QH 31. Die Seitenschiffe sind nur"begleitender" Raum; sie treten hier mit ihrer geringen Höhe noch stärker zurück als in QH 32.

Da die Inschriften und Malereien der Nische infolge ihres schlechten Erhaltungszustandes keinen sicheren Anhalt für die zeitliche Ansetzung des Grabes innerhalb des Mittleren Reiches bieten, so kann die Datierung allein aus einem Vergleich der Formen der Architektur dieses Grabes mit denen der anderen Gräber der gleichen Epoche hergeleitet werden. Grab Nr. 30 ist später als Nr. 31 angelegt worden, dessen überwölbter Gang vermutlich das Vorbild für die gewölbte Decke des Mittelschiffs gewesen ist. Grab 30 bezeichnet den Endpunkt der Entwicklung der Grabarchitektur des Mittleren Reiches in Aswan. Die Mittel der räumlichen Gestaltung sind ärmlich. Das Raumgefühl, aus dem heraus die älteren Gräber in folgerichtiger Auseinandersetzung mit den Aufgaben des Raumes gestaltet worden waren, ist erloschen. Auch die ungünstige Lage des Grabes Nr. 30 an einem Knick der oberen Terrasse läßt darauf schließen, daß die geeigneteren Plätze bereits durch Grab 32 und 31 eingenommen waren. Fürst Sarenput II., der Bauherr des Grabes Nr. 31, hat vermutlich bis in die Regierungszeit Sesostris III. hinein gelebt; Grab Nr. 30 mag also in der Regierungszeit dieses Herrschers oder noch etwas später angelegt worden sein, - in einer Zeit, als die Macht der Gaufürsten am Erlöschen war.

DIE DARSTELLUNGEN IN DER KULTNISCHE
Die Rückwand, die beiden Seitenwände und die Decke der Nische sind mit einer Stuckschicht überzogen und bemalt. Das untere Viertel der Wandflächen ist als Sockel gelb gemalt. Den Sockel schließt ein dreifaches, blau-rot-blau gemaltes Band nach oben ab. Die Farben des Bandes sind untereinander und gegen die angrenzenden Flächen des Sockels und des Bildfeldes durch einen feinen weißen Streifen abgesetzt. Die obere Grenzlinie des Bandes ist die Grundlinie der Darstellung. Die Farbe des Bildgrundes, von dem sich die Darstellungen abhoben, ist ohne Entnahme einer Probe und deren Analyse nicht mit Sicherheit festzustellen. Die Seitenwände sind von Ruß geschwärzt. Die sandfarbenen Töne des Bildgrundes der als Rückwand in die Nische eingelassenen Platte rühren wahrscheinlich von der Verunreinigung durch zahlreiche Wespennester und von dem Lagern der Platte im Sande her. Wahrscheinlich war der Bildgrund weiß oder hellblau getönt.

Die Darstellung auf der Rückwand der Nische hob sich von dem hellen Bildgrunde in klaren Umrissen ab: eine Papyruspflanze wächst in drei Stengeln mit je einer Dolde aus den Fußblättern heraus. Der mittlere Stengel ist steif aufgerichtet und nimmt die ganze Höhe des quadratischen Bildfeldes ein; die beiden anderen Stengel sind seitwärts nach rechts und nach links abgebogen und lassen die Dolde nach unten hängen. Unter einer jeden der beiden hängenden Dolden ist ein Salbentopf aus Alabaster dargestellt. Den beiden Dolden sind hieratische Schriftzeichen zugeordnet.

Auf den Flächen, die zu beiden Seiten des aufrecht stehenden Papyrusstengels und über den seitlich umbiegenden Stengeln verbleiben, sind zwei Rechteckfelder abgeteilt. In jedes Rechteck ist eine stehende männliche Figur eingezeichnet. Die Figuren sind gegengleich; sie tragen langes, auf die Schulter herabfallendes Haar, einen breiten Perlenkragen und den über das Knie im spitzen Winkel vorspringenden Schurz. Die eine Hand hält den langen, auf den Boden gesetzten Stab, die andere das Zepter. Die linke Figur ist nach links, die rechte nach rechts ausgerichtet. An Einzelheiten der Farben sind zu erwähnen: die Farbe der Papyruspflanze ist nachgedunkelt und erscheint jetzt dunkelblau; die ursprüngliche malachitgrüne Bemalung ist an vereinzelten Stellen unter dem Blau zu erkennen. Die Fußblätter der Staude und die Kelchblätter der Dolden sind weiß, die Linien der Innenzeichnung rot. Die alabasternen Salbentöpfe sind weiß, Umrißlinien und Schraffierung rot. Die Sandsteinplatte ist an den Rändern stark bestoßen und mehrfach ausgebrochen; die beiden Figuren sind daher schlecht erhalten. Die Oberfläche ist außerdem stellenweise geschwärzt.

Vor der rechten Figur ist die untere Hälfte einer senkrechten Inschriftzeile erhalten, die den Namen des Eigentümers dieses Grabes bewahrt hat: , ..Vorsteher der Gottespriester (?) Heka-ib, geboren von der Sat-Hathor, der Seligen".

Vor der linken Figur muß aus Gründen der Symmetrie in diesem streng gegengleich aufgebauten Bilde eine gleiche Inschriftzeile angenommen werden. Die beiden Seitenwände der Nische sind derartig geschwärzt, daß man nur mit Mühe wahrnimmt, daß auch diese bemalt sind. Über dem dreifarbigen Band, das den Sockel nach oben abschließt, ist auf der rechten wie auf der linken Seitenwand der selige Tote auf löwenfüßigem Stuhle am Speisetisch sitzend dargestellt. Die Figuren sind aus der Nische herausgewandt. Auf dem Tisch, über den Spitzen der aufrecht stehenden "Schilfblätter", sind die Speisen angehäuft. Vor dem Speisenden ist eine senkrechte Inschriftzeile angebracht.

Über diesen Darstellungen ist auf beiden Wänden ein schmaler waagerechter Streifen abgeteilt, in dem auf der linken Wand das Schlachten eines Rindes, auf der rechten eine Reihe Salbgefäße dargestellt sein könnten. Ein senkrecht verlaufender Stuckrand begrenzt die bemalten Flächen der Seitenwände nach hinten und zeigt den Anschluß der eingelassenen Platte an. Von einem Deckenmuster ist infolge der Schwärzung keine Spur zu erkennen.

Die Darstellung auf der Rückwand der Nische bedarf einer Erläuterung. Sie besteht aus einer Verbindung von Bild und Schrift; die Papyruspflanze verbindet in ihrer abstrakten hieroglyphischen Bedeutung "Überfluß haben" als Schriftzeichen konkrete Bilder, die Figur des Heka-ib mit den Salbentöpfen, zu einer Sentenz: "Heka-ib hat Überfluß an Hekenu- und Festölen". Eine einzige ähnliche Darstellung, die sich auf einem Denkstein befindet, ist bis jetzt aus Dendera bekannt. Der Wunsch, daß der Verstorbene sich an Wohlgerüchen erfreuen möge, ist in den ägyptischen Texten und Darstellungen weit zurückzuverfolgen. In der Sargkammer der Königin Nofru zu Deir el-Bahari (11. Dynastie) kommt in den Totentexten der Satz vor: "Erfüllt ist das Haus mit Wohlgeruch"? Weit häufiger als in den Totentexten erscheinen Salben in den Darstellungen und in den Opferlisten. Seit dem frühen Alten Reich sind Salbentöpfe auf der Scheintür, auf der Tafel mit der Speiseszene, dargestellt, oder in unmittelbarer Nähe der Scheintür, in den Listen der Totenopfer aufgeführt. Seit dem ausgehenden Alten Reich wird der Verstorbene beim Genuß des Salbenduftes im Grabe dargestellt, zu Tische sitzend, das charakteristische Riechfläschchen zur Nase führend. Ganz besonders beliebt wird dieses Darstellungsmotiv in der 11. Dynastie. Dies bedeutet nichts anderes als eine Umschreibung der erwähnten Textstelle durch das Bild. Da Papyrus in dieser Zeit zu den häufig vorkommenden Pflanzen zählt, liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, das es die Bedeutung haben soll von "Überfluß haben". Es soll die Unversiegbarkeit der Gefäße dargestellt werde.